Das Kommunikations-Dogma

Ein Porträtfoto von Lucas Forstmeyer, einem Coach und Kursleiter. Er trägt eine Brille, einen Bart und hat seine Haare zu einem lockeren Dutt gebunden. Er trägt ein blaues Oberteil und schaut freundlich in die Kamera.
Lucas Forstmeyer

Dies ist Teil 1 unserer Artikelreihe "Dogmen der Paar-Arbeit":

In diesen Artikeln beleuchten wir verbreitete Grundannahen, die vielen Ansätzen für Paar Therapie / Coaching / Beratung zugrundeliegen.So können wir Überzeugungen hinterfragen und Alternativen aufzeigen.

Dogma 1: Der beste Weg zu einer glücklichen Beziehung ist bessere Kommunikation, damit ihr eure Probleme lösen könnt.

Dieses Dogma ist so verbreitet, dass es oft gar nicht explizit erwähnt wird - aber es enthält 2 essentielle Annahmen über glückliche Beziehungen und Paar-Arbeit:

  1. Annahme: Um eure Beziehung zu verbessern, müsst ihr eure "Beziehungs-Probleme" lösen.
  2. Annahme: Dafür braucht ihr bessere Kommunikation.

Die Grundannahme klassischer, kommunikationsbasierter Paartherapie lautet:  „Wenn Paare lernen, ihre Konflikte besser zu lösen – durch bessere Kommunikation –, wird ihre Beziehung stabiler.“ - Gottman, Seven Principles for Making Marriage Work

Warum diese Logik so einleuchtend wirkt

Bevor wir tiefer einsteigen, ist wichtig:  Diese klassische Konfliktlogik fühlt sich absolut plausibel an – und das aus guten Gründen:

  1. So erleben wir es im Alltag: Wenn nur diese eine Sache anders wäre – das Thema mit dem Haushalt, der Nähe, dem Geld –, dann wäre alles gut.  → Das Problem scheint der Störfaktor im ansonsten funktionierenden System zu sein.
  2. Paare kommen mit akuten Themen in die Beratung: Es gibt Streit, Rückzug, Schmerz – konkrete, sichtbare Konflikte. → Also liegt es nahe, genau daran zu arbeiten.
  3. Wenn man endlich darüber spricht, fühlt sich das oft tief und bedeutungsvoll an:  Endlich gesehen werden, endlich verstanden – das erzeugt emotionale Intensität.  → Und genau das vermittelt das Gefühl: Jetzt passiert echte Veränderung.

Deshalb ist es so verständlich, dass sich viele Paaransätze auf „besser kommunizieren und Probleme lösen“ konzentrieren.  Es fühlt sich intuitiv richtig an.  Aber: Diese Intuition deckt sich nicht mit Forschung zu glücklichen Beziehungen.

Und genau hier sind Gottmans Jahrzehnte an Forschung Gold wert.

Gottmans zentrale Befunde, die dieses Modell widerlegen

1. Erfolgreiche Konfliktlösung trennt nicht die glücklichen von den unglücklichen Paaren.

  • Paare bleiben nicht zusammen, weil sie alle (oder die meisten) Probleme gelöst haben.
  • 69 % aller Konflikte sind dauerhaft – sie kommen immer wieder.
  • Die Gleichung „Lösung = Erfolg“ ist empirisch falsch.

„Selbst glückliche Paare haben Konfliktthemen, die nie ganz verschwinden.“  – Seven Principles, Kapitel 1

  • Wenn wir das ernst nehmen, kann eine Therapie oder ein Coaching das auf Heilung ausgerichtet ist nur schief laufen... denn sie versucht Probleme zu lösen, die nicht lösbar sind.

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2. Auch glückliche Paare streiten – oft nicht besonders „gut“

Auch die Idee, dass stabile Beziehungen auf „besserem Streiten“ beruhen, hält der Realität nicht stand.

Glückliche Paare nutzen im Durchschnitt keine feinere Sprache. Sie sprechen nicht automatisch achtsamer, reflektierter oder konfliktfreier.  Was sie unterscheidet, ist nicht die Technik – sondern die Verbindung.

Auch in gesunden Beziehungen fallen Sätze wie:  – „Du hörst mir einfach nie richtig zu.“  – „Kannst du mich nicht einmal in Ruhe lassen?“  – „Typisch – immer wenn’s schwierig wird, machst du dicht.“

Das Entscheidende ist: Die emotionale Verbindung reißt nicht dauerhaft ab.  Oder sie wird – manchmal nach Minuten, manchmal nach Tagen – wiederhergestellt.

Diese Paare können sich wieder zuwenden. Sie schaffen es zu reparieren, sich einzufangen, sich wieder aufeinander auszurichten.  → Das Beziehungsfeld bleibt tragfähig.

Und genau das macht den Unterschied.  Nicht, ob man sich gut ausdrückt – sondern ob man zurückfindet.

3. Es muss also etwas anderes sein als Kommunikation, das die Beziehung trägt

Und das ist nicht „gute Gesprächsführung“ – sondern das, was Gespräche überhaupt möglich macht:  Verbindung. Vertrauen. Zuwendung.  

Kommunikation ist nicht Lösung – sie ist Beziehungspflege

Wenn wir die Aussage ernst nehmen, dass die meisten Probleme nicht "weggehen". Und in meiner persönlichen und professionellen Erfahrung ist das offensichtlich wahr.Dann kann Problemlösung nicht die Basis für Beziehungsverbesserung und Therapie / Coaching / Beratung sein.

Es bleibt die Frage: Was tun wir dann?

Wir müssen das Fundament unserer Beziehung stärken

Diese Basis besteht aus

  • Freundschaft
  • Geteilten Zielen und Visionen
  • Vertrauen und emotionaler Sicherheit

Und Paradoxerweise brauchen all diese Dinge Kommunikation:

  1. Um eine Freundschaft zu erhalten, müssen wir miteinander sprechen
    1. Über das was uns bewegt.
    2. Wie wir die Welt wahrnehmen.
    3. Was uns wichtig ist.
  2. Um Ziele und Visionen zu teilen, müssen wir über sie sprechen:
    1. Wie möchtest Du, dass Dein Leben aussieht?
    2. Was sind Deine Ziele?
    3. Was bedeutet "Familie" für Dich?
  3. Vertrauen und emotionale Sicherheit besteht aus Gesprächen
    1. Das wir in Konfliktsituationen noch gut miteinander umgehen
    2. Das wir über unsere Zweifel miteinander sprechen können

Von dieser Basis aus können wir dann auch anders mit unseren Problemen umgehen

Das ist das Ergebnis von Gottmans Forschung: Es ist genau anders herum als das Kommunikations-Dogma es präsentiert.

  • Verbindung im Alltag bestimmt den Ton in Konflikten.  
  • Konflikte müssen gemanagt – nicht gelöst – werden.
  • Kleine Interaktionen bestimmen, wie sehr wir uns vertrauen und machen so ruhigere Konfliktgespräche möglich.

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