Dies ist Teil 1 unserer Artikelreihe "Dogmen der Paar-Arbeit":
Paartherapie hat in Deutschland keinen guten Ruf. Viele Paare zögern – oder sind nach einer ersten Erfahrung frustriert. „Wir haben viel geredet, aber irgendwie hat sich nichts verändert“ – das ist ein Satz, den ich oft höre.
Und das hat in Deutschland viel mit der systemischen Paartherapie zu tun. Denn in den meisten Fällen, besonders bei kirchlichen oder öffentlichen Trägern wie Caritas oder Pro Familia, heißt Paarberatung: systemische Paartherapie.
Systemische Therapie ist dabei kein einzelner Ansatz – sondern ein ganzer Block aus:– Theorie: Alles hängt zusammen, alles ist Perspektive. – Interventionen: Fragen statt Ratschläge, Muster statt Inhalte. – Haltung: Möglichst neutral, möglichst nicht-wertend, möglichst offen.
Und sie ist an vielen Stellen geprägt von postmodernen Ideen – wie dem Satz: „Sprache schafft Realität.“
Das klingt erst einmal klug. Aber in der Praxis führt es oft dazu, dass Paare mit mehr Fragen gehen – aber ohne neue Richtung.
Beziehungsgarten ist explizit ein systemischer Ansatz. Aber eben nicht systemische Therapie. Aber wir sehen auch:
Was zwischen zwei Menschen passiert, entsteht nicht aus dem Nichts – sondern aus Wechselwirkungen. Verhalten formt Verhalten. Dynamiken entstehen – oft ohne böse Absicht, aber mit echter Wirkung.
In fast jeder Beziehung wirken Muster zirkulär. Der Rückzug des einen verstärkt den Druck des anderen. Nähebedürfnis hier – Selbstschutz dort. Keiner ist allein „schuld“ daran, was entsteht.
Schuld blockiert. Sie verengt. Sie führt zu Scham oder Abwehr. Und genau deshalb geht es im Beziehungsgarten nicht um Schuld – sondern um Verantwortung.
Es gibt selten klare Täter-Opfer-Verteilungen. Die Vergangenheit wirkt mit. Prägung, Temperament, Kommunikation, Bindungsmuster – all das spielt zusammen.
Es gibt kein Schema F, kein allgemeingültiges Rezept. Jede Beziehung bringt ihre eigene Geschichte, ihre eigene Dynamik, ihre eigenen blinden Flecken mit. Was für das eine Paar heilsam ist, kann für das andere überfordernd sein.
Und genau deshalb arbeiten wir nicht mit starren Regeln – sondern mit lebendiger Präsenz. Wir hören hin. Wir sehen hin. Und wir schauen gemeinsam, was für euch funktioniert.
Diese systemische Sichtweise ist hilfreich. Sie erklärt viel. Sie verhindert einseitige Schuldzuweisung. Aber sie hat auch negative Konsequenzen: Denn aus der verständlichen Haltung „alles hängt zusammen“ ist in vielen Fällen eine gefährliche Vermeidung geworden – Vermeidung von Klarheit, Verantwortung und Führung.
Im Umgang mit dieser Komplexität hat die Systemische Paartherapie eine Grundhaltung entwickelt: die bewusste Neutralität.
Das bedeutet: Systemische Therapeuten und Berater versuchen zu verzichten auf
Das Ziel dahinter ist verständlich: Therapeuten und Therapeutinnen sollen ihre Sicht der Dinge nicht auf die Beziehungen der Paare übertragen.Stattdessen ist das Ziel: Raum schaffen. Möglichkeiten eröffnen. Zeigen, wofür Muster einst sinnvoll waren – und dass es auch anders gehen könnte.
(Diese Grundhaltung muss als Gegenreaktion auf die oft autoritären und starren Strukturen bis in die 50er Jahre verstanden werden.)
Was Paare erleben, ist kein Halt – sondern ein Spiegelkabinett. Sie hören:
Aber sie hören nicht:
In der Sprache bleibt alles gleich gültig. In der Wirkung bleibt alles gleich offen. Und am Ende verlassen Paare die Sitzung mit mehr Reflexion – aber ohne Handlung. Mehr Fragen – aber kein Gefühl von Veränderung. Mehr Verständnis – aber keine neue Erfahrung.
Neutralität schützt in solchen Momenten oft mehr den Therapeuten – als die Beziehung.
Und genau deshalb gehen wir im Beziehungsgarten einen anderen Weg: Klar. Konsequent. Zugewandt.
"Wer bin ich, zu sagen, was richtig und falsch ist?"Gute Frage. Und ich kann es nachvollziehen, vorsichtig zu sein.
Wer bin ich, dass ich einem Paar sage: "Hier läuft etwas nicht gut!"?
Aber: Wer bin ich, einem Paar, das Hilfe sucht, NICHT zu sagen, was ich sehe?
Ich möchte einem Paar nicht meine Sicht von Beziehung aufdrängen. Wir sind unterschiedliche Menschen. Aber ich möchte ihnen die besten Landkarten an die Hand geben. Ich möchte ihnen Werkzeuge mitgeben, mit denen sie ihre Beziehung langsam, aber sicher in ein besseres Fahrwasser bewegen können.
Wir sagen nicht: Es gibt nur einen richtigen Weg. Aber wir sagen: Es gibt Dynamiken, die Verbindung zerstören – und andere, die sie wiederherstellen.
Wir sagen nicht: Einer ist schuld. Aber wir sagen: Manche Verhaltensweisen verletzen – und das muss benannt werden.
Wir erkennen an, dass Beziehungen komplex sind. Aber genau deshalb brauchen Paare nicht weniger Orientierung – sondern mehr.
Unsere Haltung basiert nicht auf Bauchgefühl oder persönlichen Vorlieben, sondern auf den besten Modellen, die wir kennen – vor allem den langjährigen Beobachtungen von John Gottman. Daraus bauen wir Frameworks, Werkzeuge und klare Landkarten.
Nicht, um Paare zu bewerten, sondern um ihnen zu helfen, gemeinsam handlungsfähig zu werden.
Ja – es ist ein System. Und ja – Verhalten entsteht aus Wechselwirkungen.
Aber wir hören dort nicht auf.
Wir sagen:
Wir sind offen für Vielschichtigkeit – aber nicht unklar. Wir fragen nicht nur – wir zeigen auch Wege.
Beziehungsgarten ist kein Ort für schnelle Lösungen. Aber es ist ein Raum, in dem ihr Klarheit findet. Und Werkzeuge. Und Haltung.
Wir spiegeln euch nicht nur. Wir begleiten euch. Und wir sagen klar, was wir sehen – nicht weil wir urteilen, sondern weil wir Beziehung ernst nehmen.
Denn: Was zwischen euch entsteht – das trägt. Oder eben nicht. Und genau da setzen wir an.
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